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Fleur Jaeggy, Jonas Lüscher, Anna Ruchat und Alain Claude Sulzer - Schweizer Dämonen

Literatur ist mythenpflichtig. Ohne Bilder und Vorstellungen von Wesen und Vorgängen jenseits bloßer Rationalität und Nüchternheit bleibt sie trocken und lehrhaft. Die Schweizer Literatur – von Dürrenmatt und Frisch bis in unsere Gegenwart – orientiert sich immer wieder an Mythen und Urgedanken, die mit der spezifischen Geschichte und Verfasstheit unseres Landes zu tun haben. Wie halten es die Jüngeren mit solchen Vorgaben? Wo finden sie die Stoffe, die davon künden? Mit welchen Mitteln verbinden sie Tradition und Zukunft – auch in einer längst globalisierten Welt?

Fleur Jaeggy

Fleur Jaeggy, 1940 als Tochter eines Schweizer Vaters und einer italienischen Mutter in Zürich geboren, besucht als Kind verschiedene Internate, um dann sehr jung nach Rom zu ziehen. Dort ist sie mit Ingeborg Bachmann befreundet und frequentiert andere deutschstämmige Intellektuelle. Ab 1968 lebt sie mit ihrem Mann, dem Schriftsteller und Gründer des Verlages Adelphi Roberto Calasso, in Mailand. Im gleichen Jahr erscheint  Il dito in bocca. Jaeggy übersetzt  auch (Thomas de Quincey, Robert Schumann), schreibt unter dem Pseudonym Carlotta Wieck mit dem befreundeten Sänger Franco Battiato Songtexte und verfasst für das Radio der italienischen Schweiz Hörspiele. Einige ihrer Werke werden im Theater aufgeführt wie L‘angelo custode oder die Komödie Un tram che si chiama Tallulah. Auch aus dem 1989 veröffentlichten Buch I beati anni del castigo ( dt. Die seligen Jahre der Züchtigung), ihrem bis dahin grössten Erfolg, wird später ein Theaterstück. 2001 folgt Proleterka, das Susan Sontag in der Literaturbeilage der Times zu den Büchern des Jahres 2003 zählt. Jaeggy gilt als italienische Schriftstellerin mit Schweizer Wurzeln. Ihre Werke wurden in 21 Sprachen übersetzt. Sie lebt in Mailand.

Bibliografie

2009 Vite congetturali, Adelphi
2001 Proleterka, Adelphi
1994 La paura del cielo, Adelphi 
1989 I beati anni del castigo, Adelphi
1980 Le statue dell’acqua, Adelphi
1971 L’angelo custode, Adelphi
1968 Il dito in bocca, Adelphi 

Auszeichnungen

2011 Premio Centenario BSI
2002 Premio Viareggio-Rèpaci
2001 Premio Donna città di Roma
2001 Premio Vailate Alderigo Sala
1994 Premio Moravia
1994 Premio Boccaccio Europa
1990 Premio Bagutta 

Jonas Lüscher

Jonas Lüscher, 1976 in Schlieren (CH) geboren, arbeitet nach einer Ausbildung zum Primarlehrer einige Jahre als Dramaturg in der Filmindustrie in München, bevor er dort an der Hochschule für Philosophie studiert. Sein literarisches Debüt die 2013 beim Verlag C. H. Beck erschienene Novelle Frühling der Barbaren, macht ihn auf einen Schlag zum Star: Das Werk wird für den Deutschen und den Schweizer Buchpreis nominiert. Außerdem bekommt Lüscher für das Buch die literarische Auszeichnung des Kantons Bern, das Zürcher Werkjahr und den Bayerischen Kunstförderpreis zugesprochen. Noch 2014 wird Frühling der Barbaren auf Französisch erscheinen, weitere Übersetzungen sind in Arbeit. An der Opéra National Montpellier hat im November 2012 außerdem die Oper Jetzt Premiere gefeiert, zu der Lüscher das Libretto geschrieben hat. 2012/13 ist er für acht Monate Visiting Researcher bei Hans Ulrich Gumbrecht an der Stanford University. Gegenwärtig arbeitet er am Lehrstuhl für Philosophie der ETH Zürich an einer Dissertation zur Bedeutung von Narration für die Beschreibung sozialer Komplexität. Der Autor lebt seit dreizehn Jahren in München und pendelt zum Arbeiten nach Zürich. In Deutschland fühlt er sich inzwischen so heimisch, dass er die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt hat.

Bibliografie

Frühling der Barbaren, 2013, C. H. Beck

Bühnenstücke
Jetzt, libretto dell’opera di/Libretto zu einer Oper von Mathis Nitschke, 2012

Auszeichnungen

2013 Literarische Auszeichnung des Kanton Bern
2013 Bayerischer Kunstförderpreis 

Anna Ruchat

Anna Ruchat, 1959 in Zürich geboren, studiert Philosophie und deutsche Literatur in Pavia und Zürich. Zu den Autoren, die sie in ihrer langjährigen Tätigkeit ins Italienische übersetzt, gehören Thomas Bernhard, Paul Celan, Nelly Sachs, Victor Klemperer, Mariella Mehr, Werner Herzog und Friedrich Dürrenmatt. 2000 veranstaltet sie in Schulen und Theatern zusammen mit den Schauspielern Bruno Cerruti und Arianna Marano sowie den Musikern Mariano Nocito und Gianni Mimmo szenische Lesungen aus Das Tagebuch von Victor Klemperer mit dem Titel Una fossa nell‘aria. Seit 2001 lehrt sie an den Scuole Civiche in Mailand und kümmert sich seit 2002 um das Archiv des Poeten Franco Beltrametti. 2004 bis 2008 arbeitet sie für die Reihe Effigie, dazu für das Radio della Svizzera Italiana, für die Tageszeitung il manifesto, für die Zeitschriften Il primo amore und Pulp. 2004 erscheint von ihr die Sammlung von Erzählungen In questa vita (dt. Die beiden Türen der Welt). 2005 veröffentlicht sie den Gedichtband Geografia senza fiume und in Zusammenarbeit mit der Fotografin Elda Papa die Erzählung Il male minore. 2009 folgt der Gedichtband Angeli di stoffa, für den sie mit der Künstlerin Giulia Fonti zusammenarbeitet, 2010 der kurze Roman Volo in ombra (dt. Schattenflug), in dem sie die Geschehnisse des 25. Oktobers 1960 erzählt, als ihr Vater André bei einem militärischen Flug in seinem Hunter bei Meiringen abstürzt und ums Leben kommt. Diesem Ereignis ist 2013 auch ein Dokumentarfilm von Olmo Cerri gewidmet, der den gleichen Titel wie das Buch trägt und an dem Ruchat mitgewirkt hat. 2012 erscheint der Gedichtband Terra taciturna e apocalisse mit Zeichnungen von Daniele Brolli sowie das Buch Il malinteso. Anna Ruchat lebt in Pavia.

Bibliografie

2012 Il malinteso, Ibis
2012 Terra taciturna e apocalisse (con disegni di Daniele Brolli), Campanotto
2010 Volo in ombra, Quarup
2009 Angeli di stoffa (con i collages di Giulia Fonti), Pagine d’arte
2006 Il male minore (con la fotografa Elda Papa), Fondazione Franco Beltrametti
2005 Geografia senza fiume, Campanotto
2005 Mimare frasi, Biblioteca cantonale Bellinzona: Messaggi brevi
2004 In questa vita, Casagrande
2012 Schattenflug, Limmat
2006 Die beiden Türen der Welt, Rotpunktverlag

Auszeichnungen

2005 Premio Schiller/Schillerpreis
2005 Premio Chiara
 

Alain Claude Sulzer

Alain Claude Sulzer, 1953 in Riehen bei Basel geboren, absolviert eine Ausbildung zum Bibliothekar und ist anschließend als Journalist tätig. Seit den 1980er Jahren veröffentlicht er eigene literarische Texte. Daneben arbeitet er als Übersetzer französischer Werke. In den Jahren 2008 bis 2011 ist er Jury-Mitglied beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt. Für seine Werke erhält er zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem 2008 den Prix Médicis étranger, 2009 den Hermann-Hesse-Preis und 2013 den Kulturpreis der Stadt Basel. Sein Roman Aus den Fugen steht 2012 auf der Shortlist für den Schweizer Buchpreis. 2013 erscheint das Stadtportrait Basel. Sulzer lebt als freier Schriftsteller in Basel, Berlin und im Elsass.

Bibliografie

Basel, 2013, Hoffmann und Campe
Aus den Fugen, 2012, Galiani (Il concerto, 2013, Sellerio)
Zur falschen Zeit, 2010, Galiani
Privatstunden, 2007, Epoca/2009, Suhrkamp
Ein perfekter Kellner, 2004, Epoca/2006, Suhrkamp (A Perfect Waiter, 2008, Bloomsbury)
Annas Maske, 2001, Epoca/2006, Suhrkamp 
Urmein, 1998, Klett-Cotta
Die siamesischen Brüder, 1990, Klett-Cotta 
Das Künstlerzimmer, 1988, Klett-Cotta
Bergelson, 1985, List
Das Erwachsenengerüst, 1983, List

Auszeichnungen

2013 Kulturpreis der Stadt Basel
2009 Prix des auditeurs de la Radio Suisse Romande 
2009 Hermann-Hesse-Preis 
2008 Prix Médicis étranger 
2005 Einzelwerkpreis der Schweizerischen Schillerstiftung
1999 Schillerpreis der Zürcher Kantonalbank
1984 Rauriser Literaturpreis