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Utopie und Gedächtnis

Wir Menschen sind unser Gedächtnis: Ohne das Durchlebte, das in uns als Individuen und als Gemeinschaft lagert, wäre es unmöglich, eine Zukunft zu planen oder zu erträumen, und gäbe es auch keinen Platz für Utopie. Wie viele nie verwirklichte Utopien ruhen aber in unserem persönlichen und in unserem politischen Gedächtnis? Welche Bedeutung haben die Suche nach der verlorenen Zeit und die Verarbeitung von Erinnerung für unser literarisches Schaffen? Dienen sie dazu, eine verschollene Wirklichkeit wiederherzustellen oder eine parallele Welt und Zeit zu erschaffen, die aus der magischen Kraft der Worte entsteht? Dies sind einige der Fragen, denen sich das Festival Eventi letterari Monte Verità im kommenden Frühjahr in Ascona unter dem Thema “Utopie und Gedächtnis” widmet, denn wir sind überzeugt, nur wer das Gedächtnis pflegt, ist auch imstande, eine bessere, zuweilen scheinbar utopische Zukunft zu erschaffen.

Die dritte Ausgabe unseres Festivals wird wieder von einem Nobelpreisträger eröffnet werden: dem türkischen Autor Orhan Pamuk. Außerdem kehrt Claudio Magris, der zum Auftakt des ersten Festivals die Eröffnungsrede gehalten hatte, nach Ascona zurück, um in diesem Jahr die Laudatio auf Renata Colorni zu halten, welche mit dem Premio Filippini ausgezeichnet wird.

 

Der „Berg der Wahrheit“ (Monte Verità), der vor hundert Jahren zu den verrücktesten und ausgefallensten Orten der Welt zählte, wird erneut einen perfekten Rahmen für die Lesungen und Debatten zum Festivalthema bilden – in der Literatur mit Autoren wie Paolo Giordano, Jerôme Ferrari, Jean-Philippe Toussaint, Thomas Hürlimann und Terézia Mora, in der Poesie mit Dichtern wie Michel Deguy, Isabelle Sbrissa, Raphael Urweider und Fabio Pusterla. Nachdem in den letzten beiden Ausgaben des Festivals mit den Beiträgen von Mario Botta, Francis Kéré und Vittorio Gregotti der Schwerpunkt der Aufmerksamkeit auf der Architektur und Utopie einer Idealstadt lag, soll nun in Ascona der Tanz  in den Vordergrund rücken, der dank Rudolf Laban und seiner Schülerinnen zu einer der wichtigsten Traditionen des Monte Verità zählt. Dieses Jahr wird im Teatro San Materno die Ausnahmechoreographin und Tänzerin Sasha Waltz auftreten, gemeinsam mit der Schlagzeugerin Robyn Schulkowsky.

Schließlich werden vier Essayisten und Zeitdiagnostiker verschiedener Ausprägung – Martin Meyer, Iso Camartin, Barbara Vinken und Georg Kohler – das diesjährige Thema in historische, gesellschaftliche und literarische Zusammenhänge stellen.

Wir sind uns sicher, dass der Monte Verità dem Publikum wieder, wie schon in den beiden vorangegangenen Ausgaben, anregende, aufregende und bereichernde Festivaltage bieten wird.

Irene Bignardi, Paolo Mauri und Joachim Sartorius