Isabelle Sbrissa, Raphael Urweider und Fabio Pusterla - Neue Lyrik aus der Schweiz
Um die ungeheure Stimmenvielfalt der schweizerischen Poesie unter Beweis zu stellen, treten eine Lyrikerin und zwei Lyriker auf, die sich in ihren poetologischen Überzeugungen stark unterscheiden und aus den drei grossen Sprachgebieten der Schweiz kommen. Isabelle Sbrissa, die in Genf lebt und arbeitet, ist Avantgardistin. Sie schreibt Gedichte, die ihre Reflexionen in eine Struktur einlagern, das „Verstehen“ von Gedichten hinterfragen oder der Materialität von Sprache nachspüren. Raphael Urweider, in Bern geboren und mit dem Leonce-und-Lena-Preis ausgezeichnet, überzeugt mit Einfallsreichtum, Humor und hoher Musikalität. Die vielfach ausgezeichneten Gedichte von Fabio Pusterla, der in Lugano lehrt, entstehen in einer konkreten, fassbaren Umwelt und münden in die Unfassbarkeit der menschlichen Existenz.
Isabelle Sbrissa
Isabelle Sbrissa lebt in Genf, wo sie 1971 geboren wurde. Nach einem Hochschulabschluss in Philologie schreibt sie zunächst Theaterstücke, welche zum Teil publiziert und auf den Bühnen der Romandie inszeniert werden. Seit 2010 erforscht sie andere Formen des Schreibens, die auf Klang und Rhythmus basieren. Ende 2011 schreibt sie die ersten Gedichte, in denen sie den Übersetzungsprozess auf den Kopf stellt. Aus dieser Erfahrung entsteht ihre erste Gedichtsammlung, poèmes poèmes1 (disdill, 2013). 2014 versucht sie in Le trou (unveröffentlicht), ihr Verhältnis zur Sprache darzulegen, ohne dabei auf den analytischen Diskurs zurückzugreifen, und 2015 beginnt sie unter dem Titel Urbi et orbi eine Serie von Tautogrammen, die das gesamte Alphabet abdecken. 2013 gründet sie disdill, einen Mikro-Verlag, der ihre Texte sowie Werke von anderen Autoren veröffentlicht. 2014 lanciert Isabelle Sbrissa la feuille (disdill): eine Zeitschrift, die aus einem einzigen A3-Blatt besteht. Die Autorin hält regelmässig Lesungen in der Schweiz und in Frankreich.
BibliografieProduits structurés strukturierte Produkte, 2014, Éditions disdill
Finlandisation, v’là, virgule... (mit G. Bandelier, A. Freudiger, N. Carrel, P.-A. Milhit), 2014, Eigenverlag/Publication à compte d’auteur/autoedizione
Bouvronneries (mit Douna Loup, Éditions Soulmento), 2013, Éditions Dutrio
Biblionerie (mit Douna Loup, Éditions Soulmento), 2013, Éditions Dutrio
R (mit Heike Fiedler), 2013, Éditions disdill
poèmes poèmes1, 2013, Éditions disdill
Fatras 9, 2013, Éditions disdill
Theaterstücke
La traversée du désert, 2009, Éditions Bernard Campiche
Le quatre-mains, 2009, Éditions Bernard Campiche
2007 Prix à l’écriture théâtrale de la Société Suisse des Auteurs
Raphael Urweider
Raphael Urweider, 1974 in Bern geboren, ist ein Lyriker und Übersetzer, der auch als Musiker und Regisseur arbeitet. Er studiert in Freiburg einige Semester Germanistik und Philosophie, um dann die Jazzschule in Bern zu absolvieren. Er schreibt mehrere Theaterstücke, aber auch das Libretto Euridice Singt (mit Uraufführung am Lucerne Festival 2005) und zehn Lieder für Liebe und Krieg (2008) von Jan Müller-Wieland. Zudem führt er Regie und übernimmt die musikalische Leitung verschiedener Stücke, insbesondere des Musiktheaters. Von 2008 bis 2010 ist er künstlerischer Ko-Leiter des Schlachthaus Theater Bern. Raphael Urweider ist auch als Übersetzer ins Deutsche tätig. Er bestreitet zahlreiche Lesungen im In- und Ausland, bei denen er auch Klavier spielt oder von anderen Musikern begleitet wird. Er ist heute Präsident des AdS – Autorinnen und Autoren der Schweiz.
BibliografieAlle Deine Namen. Gedichte von der Liebe und der Liederlichkeit, 2008, DuMont
Das Gegenteil von Fleisch, 2004, DuMont
Kobold und der Kunstpfeiffer. Fast eine Räubergeschichte, 2001, Edition Thanhäuser
Lichter in Menlo Park, 2000, DuMont
Lumières à Menlo Park, 2006, Editions Empreintes
Guten Tag Herr Gutenberg, 1999, Edition Thanhäuser
Bühnenstücke und Librettos (Auswahl)
Figaro?, 2014, Uraufführung: Theater Biel-Solothurn
Odyssee für Kinder, 2013, Uraufführung: Schauspielhaus Zürich
Güsel, 2011, Uraufführung: Theater Marie (Aarau)
Neue Mitte, 2003, Jussenhoven und Fischer
Zombies. Herbst der Untoten, 2003, Jussenhoven und Fischer
Übersetzungen (Auswahl)
2014 Meena Kandasamy, Fräulein Militanz
2013 Robert Walser, Der Teich (aus der Schweizer Mundart mit Händl Klaus)
2013 Lavinia Greenlaw, Minsk
2012 Pedro Lenz, Der Keeper bin ich (aus der Schweizer Mundart)
2011 Eugène Scribe, Le Chalet
2006 Lavinia Greenlaw, Minsk
2004 Joanna Laurens, Armer Beck
2003 Joanna Laurens, Fünf Goldringe
2003 Lavinia Greenlaw, Hamelin. Kammeroper in zwei Akten
2009 Einzelwerkpreis der Schweizerischen Schillerstiftung
2004 Clemens-Brentano-Preis
2002 3sat-Preis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt
2001 Förderpreis zum Bremer Literaturpreis
2000 Preis der Schweizerischen Schillerstiftung
2000 Buchpreis des Kantons Bern
1999 Leonce-und-Lena-Preis
Fabio Pusterla
Fabio Pusterla, geboren 1957 in Mendrisio, ist Dichter, Übersetzer und Literaturkritiker. Er wächst in Chiasso auf und studiert Literatur an der Universität in Pavia. Heute lebt er vorwiegend in Valsolda, zwischen der Schweiz und Italien, ist ordentlicher Professor für italienische Literatur an der Università della Svizzera italiana und lehrt gleichzeitig am Liceo Cantonale di Lugano 1. Zu seinem Werk zählen zahlreiche Gedichtsammlungen. Außerdem ist er als Forscher, Essayist und Übersetzer tätig, wobei sein Hauptinteresse der Poesie von Philippe Jaccottet gilt. Sein Werk, von dem die Anthologie Le terre emerse (Einaudi, 2009) eine Kostprobe bietet, ist in vielen Sprachen übersetzt worden und in zahlreichen Büchern, Anthologien und Zeitschriften enthalten. Sein jüngster Titel ist 2014 bei Marcos y Marcos unter dem Titel Argéman erschienen.
BibliografieQuando Chiasso era in Irlanda, e altre avventure tra libri e realtà, 2012, Casagrande
Una goccia di splendore. Riflessioni sulla scuola (nonostante tutto), 2008, Casagrande
Zur Verteidigung der Schule. 37 kurze Geschichten eines Lehrers, 2010, Limmat Verlag
Il nervo di Arnold. Saggi e note sulla poesia contemporanea, 2007, Marcos y Marcos
Poesie
Corpo stellare, 2010, Marcos y Marcos.
Folla sommersa, 2004, Marcos y Marcos
Pietra sangue, 1999, Marcos y Marcos
Le cose senza storia, 1994, Marcos y Marcos
Les Choses sans histoire, 2002, Editions Empreintes
Bocksten, 1989, Marcos y Marcos
Bocksten (deutsche Übersetzung), 2010, Limmat Verlag
Concessione all’inverno, 1985, Casagrande
Übersetzungen
1992 Philippe Jaccottet, Il Barbagianni. L’Ignorante
1994 Nuno Júdice, Adagio
1995 Philippe Jaccottet, Edera e calce
1995 Philippe Jaccottet, Libretto
1996 Philippe Jaccottet, Paesaggio con figure assenti
1997 Philippe Jaccottet, Alla luce d’inverno. Pensieri sotto le nuvole
2001 Corinna Bille, Cento piccole storie crudeli
2006 Philippe Jaccottet, E tuttavia. Note dal botro
2007 Philippe Jaccottet, La ciotola di Morandi
2013 Schweizer Literaturpreis
2013 Premio Napoli
2011 Premio Ceppo Pistoia
2011 Premio Schiller
2009 Premio Dessì
2007 Gottfried-Keller-Preis
2000 Premio Schiller
1986 Premio Schiller
1986 Premio Montale
Joachim Sartorius - Moderation
Joachim Sartorius,1946 in Fürth geboren, ist Lyriker und Übersetzer der französischen und englischsprachigen Literatur. 1973 promoviert er zum Dr. jur. und ist danach bis 1986 im Auswärtigen Dienst tätig. Von 1996 bis 2000 ist er Generalsekretär des Goethe-Instituts in München und von 2001 bis 2011 leitet er die Berliner Festspiele. Er veröffentlicht mehrere Gedicht- und Essaybände sowie zahlreiche in Zusammenarbeit mit Künstlern entstandene Bücher. Sein lyrisches Werk wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Er ist zudem Herausgeber der Werkausgaben von Malcolm Lowry, Wallace Stevens und William Carlos Williams sowie verschiedener Anthologien. Er ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und lebt heute in Berlin und Syrakus.